Nach dem Tunnel

Von Julie Weißbach

Und wieder ein 31. Dezember vor einem ersten Januar. Ein symbolisches Ende vor einem symbolischen Neubeginn. Wie heißt es doch so schön: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Was für ein unglücklicher Satz. Die Hoffnung stirbt nicht. Sie ist. So wie der Tag. Oder die Nacht. Wie Licht oder Dunkelheit. Ja oder nein. Ich habe die Wahl.

Ich glaube, genau das ist es. Das Thema dieser Zeit. Der Titel des Jahrbuches 2020 dessen letzte Seite sich heute mit Leben füllt. Mit dem, was ich daraus mache. Licht oder Dunkelheit. Mmmh. Vielleicht eher Licht UND Dunkelheit. Wie endet die Geschichte?

Man kann das eine nur wählen, wenn man auch das andere kennt. Das sage ich nicht leichtfertig, denn wer geht schon freiwillig durch düstere Täler, wenn es eine Seilbahn gibt, die einen trockenen Fußes oben absetzt, von wo aus man alles überblicken kann?

2020 war das Jahr der kaputten Seilbahnen. Das Jahr, in dem wir auf eigenen Füßen durch das Tal wandern mussten und den klammen, unbeleuchteten Tunnel durchquerten. Es war das Jahr, in dem befestigte Wege plötzlich überwuchert waren und aus Straßen Sackgassen wurden. Es war das Jahr, in dem wir uns durchs Dickicht schlagen mussten, um neue Perspektiven zu finden. Das uns zwang, an Ort und Stelle zu verharren, als einfach nichts mehr ging.

Ein vergessenes Gefühl machte sich breit. Die Sehnsucht nach Freiheit. Sie erfasste uns mit einer Vehemenz, die wir nicht (mehr) kannten. So wie man als Kind das Ende einer langen Autofahrt herbei sehnte, während einen die Eltern mit vagen Versprechungen hinhielten: „Es dauert nicht mehr lange. Bald sind wir da“. Da war diese Unruhe, die nicht mehr zu halten war. Ein inneres Aufbäumen, das sich nicht bezähmen ließ. Fahrstuhltür, geh endlich auf!

Die Freiheit zu reisen. Die Freiheit, Feste zu feiern. Die Freiheit Kultur zu erleben. Die Freiheit, zu singen. Die Freiheit, unbeschwert zusammen zu sein. Die Freiheit, anders zu denken. Die Freiheit, sich nicht an Regeln zu halten. Die Freiheit, spontan zu sein. Die Freiheit, das Leben zu feiern. Die Freiheit, zu sein.

Sag mir, wann kommt sie zurück?

Die Freiheit, ganz bei mir zu sein. Die Freiheit, bei dir zu sein. Die Freiheit, zuzuhören. Die Freiheit, nachzufragen. Die Freiheit, nichts zu sagen. Die Freiheit, mich neu kennenzulernen. Die Freiheit, dich neu kennenzulernen. Die Freiheit, neu zu denken. Die Freiheit, das kleine Glück vor der Haustür zu finden. Die Freiheit, das Leben zu feiern. Die Freiheit, zu sein.

Sie war nie weg.

Die Freiheit hat ihr Kleid gewechselt, und uns eingeladen, das Gewand ihrer neuen Umstände anzuprobieren. Sie ist die Schwester der Hoffnung. Sie ist, was wir aus ihr machen.

Licht oder Dunkelheit?

Licht UND Dunkelheit.

Es ist okay.

Nein, es war kein leichtes Jahr. Es war intensiv und klebrig und voller Morast. Es war vollgepackt mit Herausforderungen und Ungewissheit und unerwarteten Wendungen.

Doch die schönste Wahrheit wartet am Ende des Tunnels: Wachstum geschieht im Dunklen. Und nie ist das Licht heller, als wenn man aus dem Tunnel heraustritt, den man mit eigenen Füßen durchquert hat. Nie ist der Frühling leichter, als nach dem Winter. Nie schmeckt das Glück süßer, als wenn die Schweißperlen auf der Stirn gerade noch trocknen. 

Wie weit wir doch gekommen sind. In diesem Tunnel.

Wie groß wir gewachsen sind. Durch diesen Tunnel.

Ich kann das Licht schon sehen.

Und wieder ein 31. Dezember vor einem ersten Januar. Ein symbolisches Ende vor einem symbolischen Neubeginn. Wie heißt es doch so schön: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Was für ein unglücklicher Satz. Die Hoffnung stirbt nicht. Sie ist. So wie der Tag. Oder die Nacht. Wie Licht oder Dunkelheit. Ja oder nein. Ich habe die Wahl.

Man kann das eine nur wählen, wenn man auch das andere kennt. Das sage ich nicht leichtfertig, denn wer geht schon freiwillig durch düstere Täler, wenn es eine Seilbahn gibt, die einen trockenen Fußes oben absetzt, von wo aus man alles überblicken kann?

2020 war das Jahr der kaputten Seilbahnen. Das Jahr, in dem wir auf eigenen Füßen durch das Tal wandern mussten und den klammen, unbeleuchteten Tunnel durchquerten. Es war das Jahr, in dem befestigte Wege plötzlich überwuchert waren und aus Straßen Sackgassen wurden. Es war das Jahr, in dem wir uns durchs Dickicht schlagen mussten, um neue Perspektiven zu finden. Das uns zwang, an Ort und Stelle zu verharren, als einfach nichts mehr ging.

Nein, es war kein leichtes Jahr. Es war intensiv und klebrig und voller Morast. Es war vollgepackt mit Herausforderungen und Ungewissheit und unerwarteten Wendungen.

Doch die schönste Wahrheit wartet am Ende des Tunnels: Wachstum geschieht im Dunklen. Und nie ist das Licht heller, als wenn man aus dem Tunnel heraustritt, den man mit eigenen Füßen durchquert hat. Nie ist der Frühling leichter, als nach dem Winter. Nie schmeckt das Glück süßer, als wenn die Schweißperlen auf der Stirn gerade noch trocknen. 

Wie weit wir doch gekommen sind. In diesem Tunnel.

Wie groß wir gewachsen sind. Durch diesen Tunnel.

Ich kann das Licht schon sehen.

Mehr Gedankenspaziergänge? Gibt’s in Julies neuem Buch:

English version

What a year is has been. A year of light AND dark. A year that made us walk though deep valleys and dark tunnels. The year when the easy road turned into a dead end. A year when a long forgotten feeling got rekindled: the urge for freedom. Like when we were sitting in our parents car as kids waiting to finally arrive at our destination, asking “when will we get there” every two minutes. Where did it go, the freedom to travel, to sing, to be together, to not follow rules, to celebrate life? But what a about the freedom to be fully ourselves, to embrace life as it is, to get to know the other, to get to know ourselves, to find happiness in the small things? It has never left us. It changed garments, inviting us to try on the new version of what it has always been: what we make of it. Oh yes, it has been a tough year. But the most beautiful truth is that growth happens in the dark. Look how much we have grown, in this tunnel. Look how far we have come in this tunnel. I can already see the light.

Version française

Quelle année 2020 était.  Une année de lumière ET de l’ombre. Une année qui nous a fait traverser des vallées et des tunnels bourbeux. En 2020 les routes faciles se sont transformées en impasses. Et elle a fait naitre une sensation oubliée en toute violence : le besoin de liberté. Comme quand nous étions en voyage dans la voiture de nos parents en demandant « quand est-ce qu’on arrive ? » tous les deux minutes. Où-est-t-elle parti, notre liberté de voyager, de chanter, de se réunir, de ne pas suivre des règles, de célébrer la vie ? Mais il y a aussi la liberté d’être complètement nous-mêmes, de se connaitre vraiment, de connaitre vraiment l’autre, de trouver le bonheur dans les petites choses, de célébrer la vie. La liberté nous a jamais quitté. Elle a changé de garde-robe. Et elle nous invite d’essayer sa nouvelle tenue, car ce sont nous qui la définissent. Oui, ça a été une année difficile. Mais la plus belle vérité est celle-ci : la croissance se passe dans le noir. Et comment nous avons grandi, dans ce tunnel. A quel point nous avons avancé. Je vois déjà la lumière

(c) 2024 - Julie Weißbach